Ein neues digitales schwarzes Brett

„Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Lassen Sie uns gar nicht viel Zeit vergeuden und direkt mit der Tagesordnung anfangen,“ beginnt der stellvertretende Rektor, Herr Conradt. Wir fangen mit der Suche eines neuen Betreuers für die Schach-AG an, niemand will sich dafür so richtig melden. Nach etwas betretenem Schweigen meldet sich doch noch Frau Kethers, wirklich begeistert sieht sie dabei jedoch nicht aus. Sobald wir dann die Themen bezüglich der Pausenaufsicht, des neuen Cafeteria-Menüs und der Renovierung der Turnhalle besprochen haben, wendet sich Herr Conradt direkt an mich: „Nun kommen wir zu einer kleinen Änderung, die aber wahrscheinlich eine große Wirkung haben wird, wir hoffen natürlich im positiven Sinne. Herr Aßmus, das betrifft nun Sie am direktesten, da Sie ja unser zuständiger für den Vertretungsplan und die Informationen auf dem schwarzen Brett sind. Und zwar sieht es so aus, dass wir im Zuge der allgemeinen Digitalisierung nun auch Ihren Arbeitsalltag etwas leichter machen wollen und deshalb ab kommender Woche ein digitales schwarzes Brett benutzen werden. Die dazu passende Software haben wir auch bereits beschafft, ein Mitarbeiter der Display Firma wird Ihnen das aber auch noch genauer erklären. So, damit wären wir auch schon durch, falls es keine weiteren Fragen mehr gibt, würde ich Sie jetzt ins Wochenende entlassen.“ Bevor ich überhaupt etwas dazu sagen kann, räumen alle Kollegen und Kolleginnen bereits ihre Sachen zusammen, Stühle werden gerückt und das Lehrerzimmer geräumt.

Ein digitales schwarzes Brett? Ein Gefühl der Überforderung macht sich in mir breit, denn ein Vorreiter der Digitalisierung bin ich nun wirklich nicht. Ob das alles auch wirklich immer so viel einfacher ist, als mit Stift und Papier zu arbeiten, weiß ich auch nicht. Fortschritt muss ja nicht immer besser sein. Mich in ein digitales schwarzes Brett einzufinden, bedeutet auch bestimmt erstmal mehr Arbeit für mich. Mit einer etwas sauertröpfischen Miene gehe ich jetzt in die Pausenhalle und nehme den heutigen Vertretungsplan noch vom schwarzen Brett und hänge die Anzeige, für die neue Betreuung der Schach-AG noch schnell auf – zum letzten Mal, wie es aussieht. Ich trete einen Schritt zurück und betrachte das Brett. Ich verstehe wirklich nicht ganz, warum man es ersetzen sollte, denn das System funktioniert eigentlich ganz wunderbar. Auf der linken Seite hängt immer mein Vertretungsplan für den jeweiligen Tag, den ich jeden Morgen aufhänge, umzingelt von einer Schar von Schülern, die es gar nicht erwarten können zu sehen, ob ihre Mathestunde heute vielleicht ausfällt. Tatsächlich ist es jeden Morgen das gleiche, immer wieder muss ich um Platz bitten, damit ich mich zurück ins Lehrerzimmer kämpfen kann. Öfter als mir lieb ist, habe ich mich dabei schon mit Kaffee, den ich in der einen Hand hatte, überschüttet, weil die aufgeregten Schüler aneinander und an mir vorbei drängen wollten, um einen Blick auf den Plan zu erhaschen. Rechts finden sich dann alle weiteren Ankündigen, wie jetzt die Anzeige für die Schach-AG oder der Infozettel für den Wandertag der sechsten Klasse. Und dieses System, mein altbewehrtes System, soll jetzt durch ein digitales schwarzes Brett ersetzt werden? Ich bin nicht überzeugt.

Am Montagmorgen soll ich mich eine Stunde früher in der Schule einfinden, damit mir das digitale schwarze Brett erklärt werden kann. Eine Stunde, denke ich, das kann doch niemals reichen. Die rechnen wohl nicht mit meiner Unbegabtheit, was alles Informatische angeht. Etwas nervös begebe ich mich also am Montag in das kleine Büro neben dem Sekretariat, wo ein Computer steht und jetzt auch ein Herr sitzt, der sich mit Namen Kreutz vorstellt. Er bietet mir den Stuhl neben sich am Computer an und sagt, „Keine Sorge, das geht ganz schnell. Ein digitales schwarzes Brett ist wirklich kein Hexenwerk, das geht schon fast intuitiv.“ „Da überschätzen Sie aber meine technischen Fähigkeiten,“ gebe ich zu bedenken. „Papperlapapp,“ sagt Herr Kreutz. „Wenn Sie ein Smartphone bedienen können, können Sie auch ein digitales schwarzes Brett bedienen. Die Software ist wirklich benutzerfreundlich, Sie werden sich da schnell einfinden.“ Und damit fangen wir auch schon an. Er öffnet ein Programm, dessen Maske tatsächlich recht übersichtlich aussieht, das, was ich jetzt hier auf dem PC sehe, würde ich später auch auf dem digitalen schwarzen Brett sehen. Er erklärt mir zunächst die grundlegenden Dinge; wie man eine neue Datei öffnet, die Inhalte einpflegt, die Anzeige-Form verschieben kann und wie man nach der Live-Schalte den Text noch bearbeitet. Dann testen wir das ganze mit dem Vertretungsplan, den ich für diesen Tag erstellt habe. „OK,“ sage ich, „ich gehe also hier auf die Datei, ziehe sie rüber in das Programm und dann klicke ich einfach auf Upload?“ „Ganz genau,“ antwortet er, „so schnell und einfach geht das.“ Gesagt, getan. „Wollen wir uns das digitale schwarze Brett jetzt einmal anschauen?“

Wir gehen also den langen Gang der Pausenhalle entlang, bis wir an der Stelle angekommen sind, an der früher mein Zettelsystem hing. Nur ist es jetzt ausgetauscht worden durch einen großen Bildschirm, der leicht angewinkelt an der Wand hängt. Da ist es also, denke ich, das sagenumwobene digitale schwarze Brett. Vor der grau gefliesten Wand macht es sich eigentlich ganz gut, muss ich zugeben. Irgendwie modern halt. Das was auf dem Bildschirm zu sehen ist, ist jedoch viel interessanter, denn der Vertretungsplan wird angezeigt, genauso, wie wir ihn eingepflegt haben. Auch hier scharen sich die Kinder bereits wieder um den Plan, nur höre ich diesmal keine Ausrufe wie „Oh nein, Sport fällt aus!“ oder „Och nee, die Meier macht heute unsere Erdkundestunde.“ Stattdessen klingt es vielmehr nach schwerer Begeisterung und Staunen „Schau mal, der Plan scrollt von ganz allein!“, „Die Anzeige da rechts wechselt auch einfach so, wie krass.“, „Wusste gar nicht, dass unsere Schule so bonze ist und sich so was leisten kann.“ Ich lächle ein wenig in mich hinein, denn demnach, was Herr Conradt mir erzählt hatte, ist ein digitales schwarzes Brett gar nicht so teuer. „So, sieht doch super aus!“ sagt Herr Kreutz und dreht sich lächelnd zu mir. „Das war doch gar nicht so schwer, oder?“ Bevor ich jedoch antworten kann, sagt er bereits, dass er schon wieder los muss, zum nächsten Kunden. Ich bedanke mich also ganz herzlich für die tolle und unkomplizierte Einführung in das digitale schwarze Brett und verabschiede mich. Er hat recht, denke ich. So schwer war das gar nicht. Ab jetzt kann ich vor allem den Vertretungsplan ‚aufhängen‘, ohne jemals wieder dabei Kaffee über mich zu verschütten.

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